Da
hält sich ein Apfel schon länger
Was
haben Pilze mit einer japanischen Touristenschar gemeinsam? Sie tauchen
plötzlich auf, verrichten blitzschnell ihre Angelegenheiten und sind kurz
darauf schon wieder verschwunden. In der Tat kann man Pilzen beim
Vergammeln zusehen – eine Tatsache, die man niemals aus dem Sinn
verlieren sollte, wenn man sein Pilzmahl und die Stunden danach genießen
möchte. Manch einen Zeitgenossen, der in seiner Gier auch die ältesten
Steinpilze zusammenklaubt, stört das nicht weiter. Das sollte es
aber, denn wenn ein Pilz erstmal reif ist, beginnt in seinem Fruchtfleisch
sehr schnell die Eiweißzersetzung, und wer sich keine
Lebensmittelvergiftung einhandeln möchte, der
sollte die überreifen Kerle lieber im Wald lassen.
Auch
von den ganz jungen, winzigen Fruchtkörpern geht Gefahr aus, wenngleich
keine aktive. Sind die kleinen Pilzchen gerade mal dem Primordienstadium
entwachsen, sind sie so winzig, dass man selbst als Experte keine
zuverlässige Bestimmung wagen kann. Das heißt, dass die
Verwechslungsgefahr so groß ist, dass man leicht einen Giftpilz erwischen
kann. Zu blöd, dass auch hier die Gier auf einen hohen Sammelertrag die
Gefahr bisweilen verkennen lässt.
Ich
will das mal Punkt für Punkt durchgehen:
1)
Primordien nennt man die Verdickungen im Pilzgeflecht, die entstehen, wenn
sich mehrere Pilzfäden zusammenknäueln und die Vorstufe zur Bildung
eines Fruchtkörpers einleiten. Schwerlich in Hut und Stiel zu gliedern,
lassen sie selbst für den Experten keine zuverlässige Bestimmung zu. Ob
essbar oder giftig lässt sich nicht sagen. Sinnlos also, hierfür den
Waldboden umzupflügen.
2)
Ungefähr 1 bis 2 cm ist das junge Pilzchen jetzt groß, doch noch immer
schmiegt sich sein Hütchen eng um den kleinen Stiel. Im Schnitt wäre
zwar die Fruchtschicht als solche erkennbar, doch da noch keine Sporen da
sind, kann man noch nicht einmal die Farbe der Fruchtschicht erahnen. In
diesem Stadium kann ein Pfifferling leicht mit dem tödlich giftigen
Orangefuchsigen Raukopf verwechselt werden! Nur der Experte kann hier
eventuell eine Bestimmung wagen.
3)
Erst jetzt, wo sich der Hut öffnet, gibt sich der Pilz zu erkennen.
4)
Der Fruchtkörper wächst und reift heran. Seine Fruchtschicht verfärbt
sich, da die Sporen zu reifen beginnen und ihre Eigenfarbe annehmen. Das
Fleisch ist frisch und kompakt. Ein Pilzgericht aus solchen Fruchtkörpern
kann durchaus noch einmal aufgewärmt werden.
5)
Die Sporen sind reif. Um sie möglichst effektiv aus der Fruchtschicht
fallen zu lassen, hebt sich der Hutrand in die Höhe, so dass auch der
Wind die Sporen aus den Lamellen blasen und verwehen kann. Das Fleisch des
Fruchtkörpers kann noch gut sein, doch die Eiweißzersetzung steht
unmittelbar bevor. Wer Fruchtkörper dieses Stadiums sammelt, muss sie
anschließend sofort verwerten. Reste des Mahles aufzubewahren und nach
einigen Stunden wieder aufzuwärmen ist kritisch, denn bis dahin können
die Pilze schon das nächste Stadium erreicht haben!
6)
Der Pilz hat fast alle Sporen abgeworfen und ist nun überständig. Die
Eiweißzersetzung ist im Gange. Solche Exemplare muss man stehen lassen,
denn sie verursachen eine Lebensmittelvergiftung, hervorgerufen durch den
Genuss verdorbener Speisen.
7)
Eine vergammelte, verschrumpelte Mumie. Regelmäßig und oft bringen mir
Teilnehmer während einer Exkursion solche Exemplare und hoffen auf eine
Bestimmung, die von mir als seriösem Sachverständigen jedoch meist nicht
mehr gegeben werden kann, da die entscheidenden Bestimmungsmerkmale
bereits verrottet sind. Wer so etwas in den Sammelkorb legt, dem ist
wahrhaftig nicht mehr zu helfen.
Fazit:
Nur
die Stadien 3) und 4) sind zum Sammeln und Verzehren zu empfehlen. Stadium
5) ist noch bedingt zu verwenden. Ist der Pilz jünger, kann er leicht
verwechselt werden. Die älteren Exemplare scheiden aus gesundheitlichen
Gründen aus.
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